Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdung
BGH, Beschluss vom 23.11.2016 – XII ZB 149/16
- Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt. (amtlicher Leitsatz)
- Die Aufzählung der Ge- und Verbote in § 1666 Abs. 3 BGB ist nicht abschließend, so dass auch andere zur Abwendung der Gefahr geeignete Weisungen in Betracht kommen. Soweit diese einen erheblichen Eingriff in Grundrechte der Betroffenen bedeuten, ist die Regelung in § 1666 Abs. 1 und 3 BGB nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn es sich um die in § 1666 Abs. 3 BGB ausdrücklich benannten oder diesen vergleichbare Maßnahmen handelt. (amtlicher Leitsatz)
- Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gerichtlichen Maßnahme nach 1666 BGB ist auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in die elterliche Sorge und dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Die – auch teilweise – Entziehung der elterlichen Sorge ist daher nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, nämlich ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig (Fortführung von Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 – XII ZB 247/11 – FamRZ 2012, 99). (amtlicher Leitsatz)
Gegenstand dieser Entscheidung war die Überprüfung der Kindeswohlgefährdung. Das Gericht musste überprüfen, ob dem Kind aufgrund konkreter Verdachtsmomente ein Schaden droht. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde.
Die Mutter zog mit ihren beiden minderjährigen Kindern (Tochter und Sohn) zu ihrem Freund, der wegen sexueller Straftaten rechtskräftig verurteilt wurde.
Das Amtsgericht hat auf Anregung des Jugendamts der Mutter das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, zur Regelung der ärztlichen Versorgung, zur Zuführung zur medizinischen Behandlung und zur Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen entzogen, insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet und das Jugendamt als Ergänzungspfleger bestellt. Daraufhin hat das Kind auf Veranlassung des Jugendamts zunächst bei einer befreundeten Familie und dann in einem Kinderhaus gewohnt.
Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht die Wirksamkeit des amtsgerichtlichen Beschlusses durch vorläufige Anordnung vom 14. September 2015 ausgesetzt und der Mutter sowie dem Lebensgefährten Weisungen erteilt. Das Kind ist daraufhin in den Haushalt der Mutter zurückgekehrt. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Oberlandesgericht dann die Entscheidung des Amtsgerichts abgeändert und die in der einstweiligen Anordnung enthaltenen Weisungen wiederholt sowie der Mutter aufgegeben, die bereits eingerichtete Familienhilfe weiterhin in Anspruch zu nehmen und die hierzu erforderlichen Anträge zu stellen.
Hiergegen haben die Mutter und der Lebensgefährte die zugelassenen Rechtsbeschwerden eingelegt. Die Mutter wendet sich gegen die Weisungen, soweit sie nicht die Fortsetzung der Familienhilfe betreffen. Die Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Das Oberlandesgericht hat die Weisungen zu Recht erteilt.
Gemäß § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Norm ist der besondere Schutz zu beachten, unter dem die Familie nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG steht. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in ihre Verantwortung gelegt, wobei dieses „natürliche Recht“ den Eltern nicht vom Staat verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen. In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (Senatsbeschluss vom 6. Juli 2016 – XII ZB 47/15 – FamRZ 2016, 1752 Rn. 21 f. mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts ist Voraussetzung einer (teilweisen) Entziehung der elterlichen Sorge – gerade im Zusammenhang mit der Trennung des Kindes von seinen Eltern – eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.
Die Voraussetzungen, unter denen nach § 1666 BGB andere Maßnahmen als die Entziehung der elterlichen Sorge getroffen werden können, waren bislang nur in Teilbereichen Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Generell ist für Maßnahmen nach § 1666 BGB erforderlich, dass eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, zu deren Abwendung die sorgeberechtigen Personen nicht gewillt oder in der Lage sind. Eine solche besteht bei einer gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
Dabei kann das erforderliche Maß der Gefahr nicht abstrakt generell festgelegt werden. Denn der Begriff der Kindeswohlgefährdung erfasst eine Vielzahl von möglichen, sehr unterschiedlichen Fallkonstellationen. Erforderlich ist daher seine Konkretisierung mittels Abwägung der Umstände des Einzelfalls durch den mit dem Fall befassten Tatrichter An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt.
Für die Frage, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, kann das Gewicht der zur Beseitigung dieser Gefährdung zu treffenden Maßnahme nach § 1666 BGB hingegen keine Bedeutung erlangen. Erst wenn eine Kindeswohlgefährdung feststeht, stellt sich die Frage nach der erforderlichen und geeigneten Maßnahme und nach deren Verhältnismäßigkeit.
Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss in jedem Fall auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen. Eine nur abstrakte Gefährdung genügt nicht. Schließlich muss der drohende Schaden für das Kind erheblich sein. Selbst bei hoher Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines nicht erheblichen Schadens sind Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht gerechtfertigt. In solchen Fällen ist dem elterlichen Erziehungs- und Gefahrabwendungsprimat der Vorrang zu geben.
Ist eine Kindeswohlgefährdung in diesem Sinne festgestellt, hat der Tatrichter regelmäßig aus einer Vielzahl grundsätzlich möglicher Maßnahmen nach seinem Ermessen eine Auswahl zu treffen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat zu prüfen, ob der Tatrichter von seinem Auswahlermessen hinsichtlich der zur Wahl stehenden Maßnahmen fehlerfreien Gebrauch gemacht hat und ob die konkret getroffene Maßnahme auch im Übrigen rechtmäßig ist, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt.
Nach diesen Maßstäben hat das Oberlandesgericht zu Recht eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB bejaht. Es hat mit sachverständiger Hilfe eine zwar nicht überwiegende, aber durchaus erhebliche Gefahr festgestellt, dass der Lebensgefährte gegenüber dem Kind in ähnlicher Weise übergriffig wird wie in den Fällen, die seinen Verurteilungen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zugrunde liegen. Die darauf fußende Annahme des Oberlandesgerichts, im Hinblick auf den dem Kind drohenden schwerwiegenden Schaden, der mit einem sexuellen Missbrauch verbunden wäre, bestehe eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Schädigung, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Entgegen den von der Rechtsbeschwerde erhobenen Einwänden hat das Oberlandesgericht hierbei keine durch den Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG gebotenen Ermittlungen unterlassen. Insbesondere waren weitere Ermittlungen nicht deshalb veranlasst, weil die den Urteilen aus den Jahren 2000 und 2004 zugrunde liegenden Taten vor über 20 Jahren begangen wurden. Insofern hat das Oberlandesgericht im Einklang mit dem Sachverständigengutachten angenommen, dass beim Lebensgefährten zwar keine Kernpädophilie vorliegt, er aber sexuelles Interesse an Mädchen im Alter des betroffenen Kindes hat und dass mit den Verurteilungen zunächst ein innerer und äußerer Kontrollmechanismus geschaffen wurde, der aber mit dem zeitlichen Ablauf an Wirkung verliert. Der große zeitliche Abstand stellt somit die Gefahr gerade nicht in Frage. Ebenso hat die Sachverständige – vom Oberlandesgericht in Bezug genommen – hinreichend ausgeführt, warum eine von der Mutter behauptete erfüllte sexuelle Beziehung zwischen ihr und ihrem Lebensgefährten das Risiko eines Übergriffs auf das Kind nicht berührt.
Es sind auch keine weiteren Ermittlungen zu der Frage geboten, ob die Mutter gewillt und in der Lage ist, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Aus ihrer Aussage, sie habe keine Anzeichen für ein besonderes Interesse des Lebensgefährten an ihrer Tochter festgestellt, ergibt sich gerade nicht, dass sie die Situation hinreichend beobachtet und zum Einschreiten bereit ist. Durch den Einzug mit dem Kind beim Lebensgefährten hat sie eine Situation geschaffen, in der ohne die gerichtlichen Weisungen wiederholt Gelegenheiten für einen unbeobachteten Übergriff des Lebensgefährten auf das Kind entstehen können, etwa weil die Mutter gerade abwesend ist oder schläft. Vorkehrungen zur Abwehr dieser konkret vorhandenen Gefahrensituation hält sie aber nicht für erforderlich, sondern ist im Gegenteil der Auffassung, dass ihr Lebensgefährte zu Unrecht strafrechtlich belangt worden ist.
Die vom Oberlandesgericht zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung getroffenen Maßnahmen sind rechtlich nicht zu beanstanden.
Sie stellen nach § 1666 BGB grundsätzlich zulässige Maßnahmen dar.
1666 Abs. 3 BGB stellt exemplarisch klar, welche Maßnahmen auch unterhalb der Schwelle der Sorgerechtsentziehung möglich sind. Die Aufzählung, insbesondere der Ge- und Verbote, ist allerdings nicht abschließend, so dass auch andere zur Abwendung der Gefahr geeignete Weisungen in Betracht kommen. Soweit diese Maßnahmen einen erheblichen Eingriff in Grundrechte der Betroffenen bedeuten, ist hierfür jedoch eine gesetzliche Grundlage erforderlich, aus der sich auch der Umfang der Beschränkung der Grundrechte klar und erkennbar ergibt. Für solche Maßnahmen ist die Regelung in Art. 1666 Abs. 1 und 3 BGB daher nur eine ausreichende Grundlage, wenn es sich um die in § 1666 Abs. 3 BGB ausdrücklich benannten oder diesen vergleichbare Maßnahmen handelt.
Die Weisungen an den Lebensgefährten werden von § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und 4 i.V.m. Abs. 4 BGB gedeckt, wonach das Familiengericht einem Dritten unter anderem verbieten kann, Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, und Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen. Entsprechende Verbote hat das Oberlandesgericht dem Lebensgefährten – lediglich in zeitlicher oder situativer Hinsicht eingeschränkt – erteilt.
Auch die der Mutter erteilten Weisungen sind grundsätzlich nach § 1666 BGB zulässige Maßnahmen. Die Anordnungen, den Kontakt des Kindes zum Lebensgefährten entsprechend der diesem erteilten Verbote nicht zuzulassen, sind den Verboten vergleichbare Maßnahmen und dienen zum einen der Durchsetzung des Kontaktverbots und zum anderen dazu, die Mutter zur Einhaltung ihrer Schutzpflichten für das Kind anzuhalten. Das Gebot, unangemeldete Besuche des Jugendamts oder hierzu beauftragter Personen zu gestatten, schafft erst eine hinreichende Möglichkeit, die Einhaltung der Weisungen zu überprüfen und gegebenenfalls auch durchzusetzen. Aufgrund dieses engen Zusammenhangs mit dem Kontaktverbot und des Umstands, dass derartige Besuche auch Bestandteile von Jugendhilfemaßnahmen sein können, deren Inanspruchnahme nach § 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB auferlegt werden kann, ist eine dahingehende Weisung rechtlich ebenfalls möglich. Soweit dadurch die Unverletzlichkeit der Wohnung der Mutter und ihres Lebensgefährten betroffen ist, nimmt das Oberlandesgericht zu Recht an, dass Art. 13 Abs. 7 GG einen solchen Eingriff ermöglicht. Schließlich ist die von der Mutter nicht angegriffene Weisung, die Familienhilfe weiter in Anspruch zu nehmen, in § 1666 Abs. 3 Nr. 1 BGB ausdrücklich geregelt.
Die erteilten Weisungen genügen auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Jeder Eingriff in das Elternrecht muss dem – für den Fall der Trennung des Kindes von der elterlichen Familie in § 1666 a BGB ausdrücklich geregelten – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Er gebietet, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Die anzuordnende Maßnahme muss zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Die Erforderlichkeit beinhaltet dabei das Gebot, aus den zur Erreichung des Zwecks gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel zu wählen. Der Staat muss daher vorrangig versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist gegeben, wenn der Eingriff unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zumutbar ist. Hierbei ist insbesondere auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs und seiner Folgen, dem Gewicht des dem Kind drohenden Schadens und dem Grad der Gefahr zu berücksichtigen. Die – auch teilweise – Entziehung der elterlichen Sorge als besonders schwerer Eingriff kann daher nur bei einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes mit einer höheren – einer ebenfalls im Einzelfall durch Abwägung aller Umstände zu bestimmenden ziemlichen – Sicherheit eines Schadenseintritts verhältnismäßig sein. Die Anordnung weniger einschneidender Maßnahmen kann dagegen bereits bei geringerer Wahrscheinlichkeit verhältnismäßig sein.
Diesen Maßgaben entsprechen die vom Oberlandesgericht ausgesprochenen Weisungen.
Sie sind geeignet, die Gefahr eines Übergriffs des Lebensgefährten auf das Kind zu verhindern. Nach den – von der Rechtsbeschwerde insoweit nicht angegriffenen – Feststellungen des Oberlandesgerichts stellen diese Weisungen und die Überwachung durch das Jugendamt für den Lebensgefährten einen äußeren Kontrollmechanismus dar, aufgrund dessen anzunehmen ist, dass er keinen Übergriff riskieren wird. Dadurch und insbesondere auch im Hinblick darauf, dass bei Einhaltung der Weisungen keine Gelegenheit für einen unbeobachteten Übergriff besteht, wird die Gefahr in erheblicher Weise gemindert.
Die Weisungen sind auch erforderlich, denn ein milderes, gleich geeignetes Mittel ist nicht gegeben. Entgegen der von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rüge musste das Oberlandesgericht nicht in Betracht ziehen, die gleichzeitige Anwesenheit anderer Personen als der Mutter als ausreichend anzusehen. Hierfür in Frage kommende Erwachsene teilt die Rechtsbeschwerde weder mit noch sind sie anderweitig ersichtlich. Dem von der Rechtsbeschwerde angeführten Bruder des betroffenen Kindes, der selbst noch ein Kind ist, kann eine solche Schutzaufgabe nicht zugemutet werden. Der weitere Einwand der Rechtsbeschwerde, schon durch moderne technische Maßnahmen wie eine akustische Überwachung des Kinderzimmers mittels eines Babyphones oder eines Signals beim Öffnen der Tür zum Kinderzimmer könne eine hinreichende Sicherung erreicht werden, überzeugt ebenfalls nicht. Diese Maßnahmen wären erheblich weniger effektiv als die ausgesprochenen Weisungen, denn es ist neben nicht zu verhindernder technischer Umgehungsmöglichkeiten weder sicher zu erwarten, dass das Kind sich überhaupt gegen einen Übergriff in der notwendigen Lautstärke wehrt, noch dass die Mutter entsprechende akustische Signale – etwa im Schlaf – rechtzeitig wahrnimmt.
Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist ebenfalls gewahrt. Angesichts der schweren möglichen Folgen eines nur einmaligen Missbrauchs sind die getroffenen Maßnahmen auch im Hinblick auf die erhebliche Beeinträchtigung der Lebensführung der Mutter, des Kindes und des Lebensgefährten und auf den festgestellten Grad der Rückfallgefahr zumutbar.
Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Oberlandesgericht habe die Maßnahmen wegen § 1666 a Abs. 1 Satz 3 BGB befristen müssen. Nach dieser Vorschrift ist bei der Bemessung der Dauer einer Maßnahme unter anderem auch zu berücksichtigen, dass der Elternteil oder der Dritte Mieter der Wohnung ist, wenn einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mitbewohnten Wohnung untersagt wird. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers wird gegenüber dem dinglich an der Wohnung Berechtigten grundsätzlich nur eine vorübergehende Wegweisung verhältnismäßig sein (so dass dann regelmäßig eine Befristung vorzunehmen sein wird (Staudinger/Coester BGB [2016] § 1666 a Rn. 30). Denn mit der Wegweisung wird aus Gründen des Kindeswohls in die durch Art. 14 GG geschützte Eigentumsposition des Weggewiesenen eingegriffen. Jedenfalls mitteloder langfristig wird in der Regel auch bei Fortbestehen der Gefährdungssituation ein Umzug für das Kind zumutbar sein (vgl. MünchKommBGB/Olzen 6. Aufl. § 1666 a Rn. 22; Staudinger/Coester BGB [2016] § 1666 a Rn. 30).
Entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht hat das Oberlandesgericht dem Lebensgefährten die Benutzung „seiner“ Wohnung weder ausdrücklich noch faktisch untersagt, ohne dass es – bislang nicht erfolgter -Feststellungen zur Rechtsnatur des Nutzungsverhältnisses des Lebensgefährten an der Wohnung bedarf. Die auf die Abend- und Nachtstunden bezogene Weisung kann ohne weiteres auch dadurch eingehalten werden, dass die Mutter entweder mit den Kindern in eine andere Wohnung zieht oder aber dort jedenfalls die fraglichen Stunden verbringt. Eine Wegweisung im Sinne des § 1666 a BGB liegt mithin nicht vor (vgl. auch BT-Drucks. 14/8131 S. 9). Unabhängig davon hat das Gericht die Maßnahmen nach § 166 Abs. 2 FamFG re32gelmäßig zu überprüfen und die Weisungen gegebenenfalls nach § 1696 Abs. 2 BGB aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.
Schließlich weist auch die Ausübung des Auswahlermessens durch das Oberlandesgericht keinen Rechtsfehler auf.
Aus den zur Verfügung stehenden Abwehrmaßnahmen hat der Tatrichter eine seinem Ermessen unterliegende Auswahl zu treffen. Diese Auswahl ist vom Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt und insbesondere darauf zu überprüfen, ob alle maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigt worden sind. Das ist hier der Fall. Insbesondere musste das Oberlandesgericht die von der Rechtsbeschwerde benannten Alternativen wegen deren geringerer Effektivität nicht berücksichtigen.
Andererseits ist es rechtsbeschwerderechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht von einer teilweisen Entziehung der elterlichen Sorge mit dem Ziel der Unterbringung des Kindes in einem anderen Haushalt abgesehen hat, was hier aufgrund des im Rechtsbeschwerdeverfahren für Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht geltenden Verschlechterungsverbots ebenfalls zu prüfen ist. Dabei muss nicht entschieden werden, ob angesichts des festgestellten Grades der Wahrscheinlichkeit eines Übergriffs die für diese Maßnahmen erforderliche ziemliche Sicherheit eines Schadenseintritts angenommen werden kann. Selbst dies unterstellt hat das Oberlandesgericht auf der Grundlage seiner tatrichterlichen Feststellungen zu Recht angenommen, dass eine Entziehung der elterlichen Sorge derzeit nicht erforderlich ist, weil mit den Weisungen Mittel zur Verfügung stehen, die ohne Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt der Mutter eine hinreichende Gefahrenabwehr ermöglichen. Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1666 a Abs. 1 Satz 1 BGB).
Soweit das Jugendamt demgegenüber in seiner Stellungnahme zur Rechtsbeschwerde darauf hinweist, dass auch durch Kontrollen kein vollständiger Schutz vor Übergriffen gewährleistet werden kann, könnte zwar die Unterbringung des Kindes in einem anderen Haushalt eine höhere Sicherheit bieten. Das Oberlandesgericht hat jedoch festgestellt, dass bereits mittels der vorliegenden Weisungen ein hinreichend effektiver äußerer Kontrollmechanismus erreicht wird, so dass diese vorrangig sind. Im Übrigen wird der Sachverhalt, wie das Oberlandesgericht zu Recht ausführt, bei Verstößen gegen die Weisungen neu zu bewerten sein.