Artikel bewerten

Entziehung der Fahrerlaubnis nach gelegentlichem Cannabiskonsum

Entziehung der Fahrerlaubnis nach gelegentlichem Cannabiskonsum   Über das Abbauverhalten von THC dürfen „negative“ Aussagen dergestalt hergeleitet werden, dass ein für einen bestimmten Zeitpunkt eingeräumter oder sonst feststehender Konsum von Cannabis keinesfalls (allein) zu der in einer später gewonnenen Blutprobe festgestellten Konzentration geführt haben kann. VGH München, Beschluss vom 18.4.2016 – 11 ZB 16.285   Zum Sachverhalt […]

Entziehung der Fahrerlaubnis nach gelegentlichem Cannabiskonsum

 

Über das Abbauverhalten von THC dürfen „negative“ Aussagen dergestalt hergeleitet werden, dass ein für einen bestimmten Zeitpunkt eingeräumter oder sonst feststehender Konsum von Cannabis keinesfalls (allein) zu der in einer später gewonnenen Blutprobe festgestellten Konzentration geführt haben kann.

VGH München, Beschluss vom 18.4.2016 – 11 ZB 16.285

 

Zum Sachverhalt

Der Kläger wandte sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Dem Kläger wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung eine Blutprobe entnommen, in der laut Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum ein THC-Wert von 7,1 ng/ml, ein THC-COOH-Wert von 121,5 mg/ml und ein 11-OH-THC-Wert von 4,9 ng/ml festgestellt wurde.

Mit Bescheid vom 13.4.2015 entzog die Beklagte dem Kläger nach vorheriger Anhörung unter Anordnung des Sofortvollzugs die Fahrerlaubnis der Klasse B einschließlich Unterklassen, verpflichtete ihn zur Ablieferung des Führerscheins innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung dieser Verpflichtung ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR an. Aufgrund des festgestellten THC-Werts von 7,1 ng/ml stehe fest, dass er den Drogenkonsum und die Teilnahme am Straßenverkehr nicht trennen könne. Aus dem festgestellten THC-Wert, der Angabe bei der Polizeikontrolle, zuletzt am Vorabend Betäubungsmittel konsumiert zu haben und der Abbaugeschwindigkeit von THC könne auf einen weiteren Cannabiskonsum am Tattag und damit auf einen zumindest gelegentlichen Konsum geschlossen werden, wofür auch der festgestellte THC-COOH-Wert von 121,5 mg/ml spreche.

Das VG München (Urt. v. 3.11.2015 – M 1 K 15.1914 hat die gegen den Bescheid erhobene Klage abgewiesen. Auch der Antrag auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Aus den Gründen

Aus der Antragsbegründung, auf die sich gem. § 124 a V 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt, ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 II Nr. 1 VwGO) noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 II Nr. 3 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt. Das ist vorliegend nicht der Fall.

Nach § 3 Abs. Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11–14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 III FeV). Gemäß § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht.

Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis den Konsum und das Fahren nicht trennen kann. Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl angesichts des bei ihm festgestellten THC-Werts eine hierdurch bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen.

Der Kl. hat mit einem THC-Wert von 7,1 ng/ml ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt. Dieser Wert liegt weit oberhalb des Grenzwerts von 1,0 ng/ml, der nach neuerer Rechtsprechung des BVerwG für die Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zu Grunde gelegt werden kann.

Das VG konnte unter den gegebenen Umständen auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens davon ausgehen, dass der Kläger mindestens zwei Mal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert hat. Der Kl. selbst hat sich wiederholt dahingehend eingelassen, am Vorabend des 24.2.2015 Cannabis konsumiert zu haben (laut Sitzungsniederschrift vom 3.11.2015 zwei Joints unmittelbar hintereinander). Diesen Konsum haben die Beklagte und das VG zutreffend als einheitlichen Konsumakt gewertet. Der festgestellte THC-Wert von 7,1 ng/ml lässt jedoch auch bei zwei Joints und damit zwei Konsumeinheiten am Vorabend auf mindestens einen weiteren Konsumakt in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Teilnahme des Klägers am Straßenverkehr oder auf sehr häufigen Konsum schließen.

Die Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC ermöglichen nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Beurteilung, ob ein für einen bestimmten Zeitraum eingeräumter Konsum von Cannabis für die Konzentration ursächlich gewesen sein kann, die in einer später gewonnenen Blutprobe vorhanden war.

Zwar kann aus einem in einer Blutprobe festgestellten THC-Wert im Wege der Rückrechnung nicht mit jener Genauigkeit wie beim Alkohol ermittelt werden, wie hoch der Spiegel zu einem bestimmten, vor der Blutentnahme liegenden Zeitpunkt war. Auf die Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC darf aber insoweit zurückgegriffen werden, als sich aus ihnen – gleichsam im Wege des Ausschlussverfahrens – „negative“ Aussagen dergestalt herleiten lassen, dass ein für einen bestimmten Zeitpunkt eingeräumter oder sonst feststehender Konsum von Cannabis keinesfalls (allein) zu der in einer später gewonnenen Blutprobe festgestellten Konzentration geführt haben kann.

Der psychoaktive Wirkstoff THC wird bei inhalativem Konsum von Cannabis sehr schnell vom Blut resorbiert und ist nach einem Einzelkonsum sechs bis zwölf Stunden im Blut nachweisbar.

Der Cannabiskonsum des Klägers, der sich in der am 24.2.2015 um 15 Uhr entnommenen Blutprobe niedergeschlagen hat, muss deshalb, sofern kein regelmäßiger Konsum vorlag, angesichts der gemessenen Konzentration von 7,1 ng/ml THC im Blut im Laufe des 24.2.2015 und damit deutlich nach dem eingeräumten Konsum am Vorabend stattgefunden haben. Damit lagen aber mindestens zwei selbstständige Konsumakte vor. Bei einer Konzentration in einer Höhe von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum und sicher länger zurückliegendem Konsum geht die Grenzwertkommission für die Konzentration von THC im Blutserum von einer Anreicherung von THC infolge regelmäßigen Konsums aus mit der Folge, dass die Fahreignung nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV ohnehin ausgeschlossen ist, wovon – die Einlassung des Kl. zum Konsumende mindestens 15 Stunden vor der Blutentnahme zu Grunde gelegt – hier auszugehen wäre. Sowohl bei gelegentlichem Konsum und fehlendem Trennungsvermögen als auch bei regelmäßigem Konsum steht die Ungeeignetheit des Kl. zum Führen von Kraftfahrzeugen auch ohne Einholung eines Fahreignungs- oder Sachverständigengutachtens fest.

Ohne dass es darauf ankommt, spricht auch der hohe Wert von 121,5 ng/ml THC-COOH gegen einen lediglich einmaligen Cannabisgebrauch. Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen kann jedenfalls bei THC-COOH-Konzentrationen über 150 ng/ml der Beweis für einen häufigeren Konsum von Cannabis als erbracht angesehen werden. Das OVG Münster (Beschl. v. 5.2.2015 – 16 B 8/15) geht bereits oberhalb des Werts von 100 ng/ml von einem gelegentlichen Konsum aus.

Vorliegend kann diese Frage jedoch offenbleiben, da bereits aufgrund der festgestellten Konzentration von 7,1 ng/ml THC im Blut des Klägers unter den gegebenen Umständen ein mindestens gelegentlicher Konsum anzunehmen ist. Ergänzend sei lediglich darauf hingewiesen, dass – den Vortrag des Kägers als wahr unterstellt, zuletzt am Vorabend Cannabis konsumiert zu haben – angesichts der bis zur Blutprobe verstrichenen Zeit von mindestens 15 Stunden die THC-COOH-Konzentration im Zeitpunkt des Konsumendes noch deutlich über dem am Folgetag festgestellten Wert von 121,5 ng/ml gelegen haben muss.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus dem vom Kl. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Drogenscreening vom 3.7.2015. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ist die letzte Behördenentscheidung. Das vorgelegte Drogenscreening kann daher allenfalls im Rahmen eines Wiedererteilungsverfahrens berücksichtigt werden.

Das Verwaltungsgericht Kassel hat einen gelegentlichen Konsum allein aufgrund des festgestellten THC-Werts als erwiesen angesehen. Der ebenfalls gegen einen einmaligen Konsum sprechende und vom Ausgangsgericht lediglich zusätzlich, aber nicht entscheidungstragend berücksichtigte THC-COOH-Wert war damit für die Klageabweisung nicht ausschlaggebend.

Praxishinweis:

 Cannabis lässt sich schnell im Blut abbauen. Bevor Sie voreilig sich äußern gegenüber Strafverfolgungsbehörden äußern und womöglich Rückschlüsse auf ein Cannabiskonsum einräumen, sollten Sie sich durch einen erfahrenen und kompetenten Verteidiger beraten lassen.