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Ermittlung des Ehezeitanteils gesetzlicher Rentenanrechte im Versorgungsausgleich

Ermittlung des Ehezeitanteils gesetzlicher Rentenanrechte im Versorgungsausgleich – Berücksichtigung der „Mütterrente“   VersAusglG §§ 43, 51; FamFG § 226 IV   Nach dem Beginn des Bezugs einer Vollrente wegen Alters ist der Ausgleichswert in der gesetzlichen Rentenversicherung allein aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten der tatsächlich bezogenen Altersrente zu ermitteln.   In einem Abänderungsverfahren […]

Ermittlung des Ehezeitanteils gesetzlicher Rentenanrechte im Versorgungsausgleich – Berücksichtigung der „Mütterrente“

 

VersAusglG §§ 43, 51; FamFG § 226 IV

 

  1. Nach dem Beginn des Bezugs einer Vollrente wegen Alters ist der Ausgleichswert in der gesetzlichen Rentenversicherung allein aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten der tatsächlich bezogenen Altersrente zu ermitteln.

 

  1. In einem Abänderungsverfahren über den Versorgungsausgleich, welches Zeiträume vor dem 1.7.2014 einbezieht, sind die Wirkungen des Versorgungsausgleichs, sofern sich die Regelungen über die so genannte „Mütterrente“ auswirken, durch Übertragung entsprechender Entgeltpunkte für die Zeit bis zum 30.6.2014 und die Zeit ab dem 1.7.2014 gesondert auszusprechen.

 

BGH, Beschluss vom 3.2.2016 – XII ZB 313/15

 

Zum Sachverhalt

Auf den am 13.4.1982 zugestellten Antrag wurde die am 3.8.1967 geschlossene Ehe des Ast. (im Folgenden: Ehemann) und der Ag. (im Folgenden: Ehefrau) geschieden. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Nach den im Scheidungsverfahren erteilten Auskünften hatte der Ehemann während der Ehezeit Versorgungsanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung und solche aus einer Beamtenversorgung des Bundes erworben. Die Ehefrau hatte bis zum 15.8.1981 Anwartschaften bei der DRV Bund erworben. Am 1.1.1982 wurde sie in ein Beamtenverhältnis auf Probe berufen. Den Versorgungsausgleich regelte das FamG, indem es vom Versicherungskonto des Ehemanns in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften auf das Versicherungskonto der Ehefrau übertrug. Wegen des vom Ehemann erworbenen Anrechts auf Beamtenversorgung wurden weitere Anwartschaften auf dem Versicherungskonto der Ehefrau begründet, bezogen jeweils auf den 31.3.1982.

Beide Ehegatten beziehen inzwischen Alterseinkünfte.

Am 27.9.2013 hat der Ehemann die Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich beantragt, weil er tatsächlich weniger Rente bezog als ursprünglich fiktiv berechnet und die Ehefrau mehr Rente bezog, als ursprünglich fiktiv berechnet.

Das FamG (AG Berlin-Pankow/Weißensee, Beschl. v. 20.7.2014 – 17 F 9083/13) hat die Erstentscheidung über den Versorgungsausgleich mit Wirkung ab 1.10.2013 abgeändert und die interne Teilung der genannten Anrechte zu den jeweils angegebenen Ausgleichswerten angeordnet.

Hiergegen hat der Ehemann Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, das bis dahin noch unberücksichtigte Anrecht der Ehefrau aus ihrer Beamtenstellung auf Probe sowie die erhöhten Anwartschaften der Ehefrau aufgrund verbesserter rentenrechtlicher Anerkennung von Erziehungszeiten nach dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz, sog Mütterrente) in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.

Nach der vom BeschwGer. neu eingeholten Versorgungsauskunft beträgt der Ehezeitanteil der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung unter Berücksichtigung der „Mütterrente“ nunmehr mehr Entgeltpunkte mit einem höheren Ausgleichswert Entgeltpunkten. Diese Auskunft beruht auf einer Neuberechnung auf der Grundlage des Rentenbescheids der Ehefrau.

Danach ergibt sich die Änderung von ursprünglich weniger Entgeltpunkten auf nunmehr höhere Entgeltpunkte aus der Berücksichtigung der „Mütterrente“ ab 1.7.2014 und im Übrigen aus einer geänderten Rechtsauffassung der DRV Bund, wonach die Gesamtleistungsbewertung für beitragsgeminderte und beitragsfreie Zeiten nunmehr nach der tatsächlich bewilligten Rente vorzunehmen sei.

Das KG (Beschl. v. 19.6.2015 – 13 UF 258/14) hat die Entscheidung hinsichtlich der Teilung des in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechts der Ehefrau abgeändert und insoweit im Wege der internen Teilung eine Anpassung Übertragung von X Entgeltpunkten und ab dem 1.7.2014 von Y Entgeltpunkten auf das Konto des Ehemanns angeordnet sowie die weitergehende Beschwerde des Ehemanns zurückgewiesen.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die DRV Bund einen Wertausgleich zu Gunsten des Ehemanns ab dem 1.10.2013 iHv … Entgeltpunkten und ab dem 1.7.2014 iHv … Entgeltpunkten.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Aus den Gründen

Die Entscheidung des BeschwGer. hält einer rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Gemäß § 51 I VersAusglG ändert das Gericht eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem Recht getroffen worden ist, das bis zum 31.8.2009 gegolten hat, bei einer wesentlichen Wertänderung auf Antrag ab, indem es die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach den §§ 9–19 VersAusglG teilt.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abänderung der Entscheidung über den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich liegen vor.

Der Antrag auf Abänderung ist durch den nach § 52 I VersAusglG iVm § 226 I FamFG antragsberechtigten Ehemann zulässig gestellt; die Abänderung würde sich auch zu seinen Gunsten auswirken (vgl. § 225 V FamFG). Die Voraussetzung des § 226 II FamFG, wonach der Antrag frühestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt zulässig ist, ab dem ein Ehegatte voraussichtlich eine laufende Versorgung aus dem abzuändernden Anrecht bezieht oder dies aufgrund der Abänderung zu erwarten ist, ist in der Person beider Ehegatten erfüllt, da sie bereits laufende Altersrenten beziehen.

Die eingetretene Wertänderung übersteigt auch die in § 51 II VersAusglG iVm § 225 III FamFG vorausgesetzten Wesentlichkeitsgrenzen. Nach diesen Bestimmungen ist die Wertänderung wesentlich, wenn sie mindestens 5 % des bisherigen Ausgleichswerts des Anrechts beträgt (relative Wesentlichkeitsgrenze) und bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße 1 %, in allen anderen Fällen als Kapitalwert 120 % der am Ende der Ehezeit maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 I SGB IV übersteigt (absolute Wesentlichkeitsgrenze), wobei es genügt, wenn sich der Ausgleichswert nur eines Anrechts geändert hat.

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Ausgleichswert um … verringert; das entspricht einer Wertänderung von über 5 % gegenüber dem früheren Ausgleichswert und übersteigt somit die relative Wesentlichkeitsgrenze.

Maßstab für die absolute Wesentlichkeitsgrenze ist im vorliegenden Fall der Rentenbetrag als maßgebliche Bezugsgröße der Beamtenversorgung. Die monatliche Bezugsgröße nach § 18 I SGB IV betrug zum Ende der Ehezeit im Jahr 1982 2460 DM (= 1257,78 Euro); 1 % davon betragen 24,60 DM (= 12,58 Euro). Der Änderungsbetrag von 87,35 Euro übersteigt somit auch die absolute Wesentlichkeitsgrenze.

Die Abänderung vollzieht sich, indem das Gericht die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nunmehr nach den §§ 9–19 VersAusglG teilt.

Gemäß § 1 II 2 VersAusglG steht der ausgleichsberechtigten Person die Hälfte des Werts des jeweiligen Ehezeitanteils zu. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist das Ende der Ehezeit. Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, sind allerdings zu berücksichtigen (§ 5 II VersAusglG).

Die Wertermittlung für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten erfolgt dabei im Wege der Gesamtleistungsbewertung nach den §§ 71 ff. SGB VI.

Diese hat das BeschwGer. allein auf der Grundlage der ehezeitlichen Anrechte und ohne Berücksichtigung nachehelich erzielter Entgeltpunkte durchgeführt. Es hat sich dabei auf die Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom 18.1.2012 (NJW 2012, 1000 = FamRZ 2012, 509 Rn. 28; vgl. außerdem Senat, NJW-RR 2012, 641 = FamRZ 2012, 847 Rn. 23 = NJW 2012, 1661 Ls.) gestützt, wonach für die Gesamtleistungsbewertung grundsätzlich von einem fiktiven Rentenbeginn zum Zeitpunkt des Endes der Ehezeit auszugehen sei. Danach würde eine Berücksichtigung des nachehezeitlichen Versicherungsverlaufs bei der Gesamtleistungsbewertung gegen das Stichtagsprinzip des § 5 II VersAusglG verstoßen, weshalb auch in einem späteren Abänderungsverfahren nach den §§ 225 f. FamFG nur von den ehezeitlichen Durchschnittswerten auszugehen sei.

Entgegen der Annahme des BeschwGer. gilt dies allerdings nur für die Bewertung eines Anrechts, das sich noch in der Anwartschaftsphase befindet.

Während der Anwartschaftsphase ändern sich die Parameter für die Gesamtleistungsbewertung monatlich laufend und können im weiteren Versicherungsverlauf auch wieder umgekehrte Tendenzen annehmen. Es entspricht deshalb auch der Vorstellung des Gesetzgebers, für die Gesamtleistungsbewertung grundsätzlich von einem fiktiven Rentenbeginn zum Zeitpunkt des Endes der Ehezeit auszugehen (BT-Drs. 7/650, 226; BT-Drs. 11/4124, 234).

Bezieht der ausgleichspflichtige Ehegatte hingegen bereits die gesetzliche Rente, ist gesetzlich festgelegter Endzeitpunkt für die Ermittlung der Rente und des belegungsfähigen Gesamtzeitraums im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nicht das Ende der Ehezeit, sondern der Kalendermonat vor Beginn der Rente (§ 72 II SGB VI). Die endgültige gesetzliche Fixierung des Berechnungszeitpunkts auf diesen Monat stellt, wenn der Rentenbeginn nach dem Ende der Ehezeit liegt, eine rechtliche und tatsächliche Änderung dar, die gem. § 5 II 2 VersAusglG zu berücksichtigen ist. Bereits zum früheren Recht hatte der Senat deshalb entschieden, dass nach dem bereits eingetretenen Bezug einer Vollrente wegen Alters an Stelle des fiktiven Versorgungsanrechts die tatsächlich gezahlte Rente mit ihren Wertverhältnissen zu berücksichtigen ist.

Da die Erhöhung des Ausgleichswerts infolge der Regelungen des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes erst am 1.7.2014 und nur mit Wirkung für die Zukunft in Kraft getreten ist, hat das BeschwGer. zu Recht auch die Wirkungen des Versorgungsausgleichs durch Übertragung entsprechender Entgeltpunkte gesondert für die Zeit bis zum 30.6.2014 und die Zeit ab dem 1.7.2014 ausgesprochen.