Bewertung der Menge, wenn Handel und Eigenkonsum zusammentreffen
Die Strafsenate des BGH bestrafen derzeit noch unterschiedlich, wenn der Handel von Cannabis mit dem Konsum von Cannabis zusammenfällt. Daher hat der 2. Strafsenat dem Großen Senat seinen Fall vorgelegt und beantragt, eine einheitliche Rechtsprechung festzulegen. Nachstehend werden die unterschiedlichen Entscheidungen der Senate dargestellt:
BGH (1. Strafsenat) – Beschluss vom 13.06.2024 – 1 StR 205/24
Der 1. Strafsenat hat entschieden, dass das Handeln mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge keine Auswirkung auf den Strafausspruch hat. Das neue KCanG hat insoweit keine Auswirkungen entfaltet.
In diesem Fall handelte der Angeklagte mit Haschich und MDMA. Soweit der Angeklagte Haschisch auch zum Gewinn bringenden Weiterverkauf aufbewahrte, tritt der Tatbestand des nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) tateinheitlich hinzu. Die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bleibt bestehen, da der Angeklagte mehr als 5 Gramm Kokainhydrochlorid besaß. Der gleichzeitige Besitz von 60 Gramm Haschisch zum Eigenkonsum bleibt indes straffrei, weil die Grenze des § 34 Abs. 1 Nr. 1b KCanG nicht überschritten ist.
BGH (5. Strafsenat) – Beschluss vom 06.05.2024 – 5 StR 550/23
Der 5. Strafsenat hat im Gegensatz zum 1. Strafsenat festgestellt, dass das Aufbewahren des Cannabis nicht strafbar ist.
Der Angeklagte bewahrte neben 300 g Kokain auch 11,7 kg Marihuana und etwa 4,7 kg Haschisch auf. Daneben hielt er 39 g Marihuana für den Eigenkonsum vorrätig.
Soweit der Angeklagte wegen der Aufbewahrung von Kokain verurteilt worden ist, ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei. Er kann aber insoweit keinen Bestand haben, als der Angeklagte für seinen Umgang mit Marihuana und Haschisch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Denn am 1. April 2024 ist KCanG in Kraft getreten, was der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen hat; nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis nicht mehr dem BtMG, sondern allein dem – milderen – KCanG.
BGH (6. Strafsenat) – Beschluss vom 18. April 2024 – 6 StR 24/24
Der 6. Strafsenat hat einen Angeklagten, der in seiner Wohnung mit 15 Gramm Marihuana Handel trieb und dort zugleich 16 Gramm für den Eigenkonsum aufbewahrte, allein des Handeltreibens mit Cannabis schuldig befunden. Zur Begründung hat der 6. Senat darauf abgestellt, dass der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum nach § 3 KCanG erlaubt ist. Die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes entfällt, weil die Menge den Grenzwert aus § 3 Abs. 1 KCanG nicht übersteigt.
In seiner nachfolgenden Entscheidung (Beschluss vom 30. April 2024 – 6 StR 536/23) hat der 6. Senat die Auffassung vertreten, bei den in § 3 KCanG genannten Cannabismengen handele es sich um Freimengen.
BGH (2. Strafsenat) – Vorlagebeschluss v. 1.8.2024 – 2 StR 107/242
Der 2. Senat ist der Auffassung, dass sich der Angeklagte tateinheitlich auch des Besitzes von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) KCanG schuldig gemacht hat, der – da teilweise zum Eigenkonsum bestimmt – nicht vollumfänglich auf Konkurrenzebene hinter das Handeltreiben zurücktritt. Denn der Angeklagte führte – wie vom Wortlaut der Strafvorschrift gefordert – an einem Ort, der nicht sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthalt war, mehr als 30 Gramm Cannabis, nämlich insgesamt 47,28 Gramm Cannabis mit sich; die dem Besitz zugrunde liegende Motivlage erachtet der Senat für unbeachtlich.
Praxishinweis:
Der 2. Strafsenat schließt sich im Ergebnis der Auffassung der Senate 5 und 6 an, aber möchte Klarheit. Daher hat der 2. Strafsenat beim Großen Strafsenat angefragt, wie das Handeltreiben mit Cannabis und der Besitz von Cannabis zu bewerten ist, wenn die Tatbestände tateinheitlich zusammenfallen.