Überschwemmungsschaden in der Kfz-Versicherung
OLG Hamm, Urteil vom 2.11.2016 – 20 U 19/16
Zum Sachverhalt
Der Kl. macht aus einer bei dem Bekl. genommenen Teilkaskoversicherung einen Anspruch wegen eines Überschwemmungsschadens geltend.
Der Vertrag bestimmt unter A.2.2. AKB:
A.2.2. Versicherungsschutz besteht bei Beschädigung, Zerstörung oder Verlust des Fahrzeugs einschließlich seiner mitversicherten Teile durch die nachfolgenden Ereignisse:…
A.2.2.3. (S. 1). Versichert ist die unmittelbare Einwirkung von Sturm, Hagel, Blitzschlag, Überschwemmung Lawinen oder Muren auf das Fahrzeug… (S. 5): Eingeschlossen sind Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden. (S. 6) Ausgeschlossen sind Schäden, die auf ein durch diese Naturgewalten veranlasstes Verhalten des Fahrers zurückzuführen sind.
…Der versicherte Kastenwagen befuhr den Bereich einer Unterführung. Der Fahrer musste verkehrsbedingt anhalten. Der Wagen wurde dann in kürzester Zeit von Wasser eingeschlossen. Dem Fahrer war es nicht mehr möglich, den Wagen in Sicherheit zu bringen. Das Wasser stieg unter anderem bis in die Fahrerzelle und erreichte jedenfalls auch Teile des Motors. Der Motor war schon damit reparaturbedürftig.
Das LG Münster hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen
Der Kl. hat gem. § 1 S. 1 VVG in Verbindung mit dem Versicherungsvertrag Anspruch auf Ersatz seines Schadens.
Der Versicherungsfall des A.2.2.3 S. 1 Variante 4 (Überschwemmung) AKB ist eingetreten. Die Überschwemmung wirkte unmittelbar auf das Fahrzeug ein und beschädigte es.
Das Merkmal der Unmittelbarkeit setzt voraus, dass die Naturgewalt einzige oder letzte Ursache sein muss.
So lag es hier.
Die Überschwemmung des Fahrzeugs erfolgte ohne Mitwirkung einer anderen Ursache, etwa eines Fahrfehlers. Der Fahrer hatte verkehrsbedingt angehalten. Dann kam unausweichlich die Überschwemmung.
Die Überschwemmung wirkte auch – ebenso – unmittelbar auf das Fahrzeug ein und beschädigte jedenfalls den Motor. Sie war die letzte Ursache. Denn bereits die Überschwemmung allein (ohne späteren Versuch, den Motor zu starten) machte eine Reparatur des Motors erforderlich.
Vorstehendes gilt uneingeschränkt auch dann, wenn der Motor bei Einwirkung der Überschwemmung noch lief. Auch dann war die Überschwemmung die letzte Ursache.
Der Bekl. ist hiernach zur Leistung verpflichtet. Dies gilt auch, soweit der Umfang des Schadens durch ein Starten des Motors nach der Überschwemmung vergrößert wurde.
Denn in diesem Sinne ist die Regelung in A.2.2.3 S. 1 und S. 6 AKB auszulegen.
Maßgeblich ist, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Regelung bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an.
Versicherungsbedingungen sind daher aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.
Der BGH hat zu der früher üblichen, inhaltsgleichen Regelung in § 12 Nr. 1 Abs. I Buchst. c S. 1 und S. 4 AKB sowie deren Sinn und Zweck ausgeführt: Der Satz über den „Ausschluss“ derjenigen Schäden, welche auf ein durch die Naturgewalt veranlasstes Fahrerverhalten zurückzuführen seien, sei eine Klarstellung des Merkmals „unmittelbar“; er enthalte keinen echten Risikoausschluss; es gehe um die Abgrenzung zu dem allein in der Vollkaskoversicherung geschützten Risiko des Fahrerverhaltens.
Ähnlich heißt es in der Literatur, dass Unmittelbarkeit nicht beseitigt werde durch einen für den Schaden mitursächlichen „normalen verkehrsgerechten Gebrauch“.
Unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer diese Zusammenhänge so sehen wird, wird er jedenfalls die Regelung in diesem Sinne verstehen.
Er wird nicht annehmen, dass der Versicherungsschutz – auch nur teilweise – ausgeschlossen sein soll, wenn das Fahrzeug nach Einwirken von Sturm, Hagel, Blitzschlag oder Überschwemmung lediglich weiterbenutzt wird und dies den Schaden vergrößert. Dies gilt, zumal je nach dem Geschehensablauf im Einzelnen dem Fahrer jedenfalls das Ausmaß der Natureinwirkung gar nicht bekannt sein muss. Eine derartige Begrenzung des Versicherungsschutzes wird in den Bedingungen durch nichts deutlich gemacht. Vielmehr wird der Versicherungsnehmer die Regelung ganz entsprechend dem Wortlaut dahin verstehen, dass er bei einer unmittelbaren Einwirkung der Naturgewalt und so verursachter Beschädigung des Fahrzeugs geschützt ist, soweit nicht die Beschädigung (auch) auf ein durch die Naturgewalt veranlasstes Fahrerverhalten zurückzuführen ist.
So hat auch das OLG Stuttgart in einem Fall, in welchem der Fahrer bei Einwirken einer Überschwemmung den Motor nicht ausschaltete und dann seine Fahrt fortsetzen wollte, den vom beklagten Versicherer erhobenen Einwand „Wasserschlag“ nicht gelten lassen und dazu ausgeführt: „Der Versicherungsschutz würde nur entfallen, wenn die Überschwemmung das Verhalten des Kl. beeinflusst und erst dieses Fahrerverhalten zur Beschädigung des Fahrzeugs geführt hätte.“
Eine derartiges durch die Überschwemmung veranlasstes Verhalten des Fahrers steht hier nicht in Rede.
Der Streitfall weicht in diesem Punkt von sonstigen, zulasten von Versicherungsnehmern entschiedenen Fällen erheblich ab, in welchen etwa der Fahrer das Fahrzeug in eine Überschwemmung hinein lenkt, der Fahrer mit unangepasster Geschwindigkeit durch eine Pfütze fährt, der Fahrer sturm-/überschwemmungsbedingt eine zum Schaden führende Ausweichbewegung vornimmt, der Fahrer wegen zu geringen Sicherheitsabstands auf ein Fahrzeug auffährt, das gegen einen sturmbedingt gestürzten Baum gefahren ist, oder eine durch einen Sturm ausgelöste Lawine das Fahrzeug trifft.
Der zu leistende Entschädigungsbetrag, hier der Wiederbeschaffungsaufwand im Sinne von A.2.6.1, A.2.6.6 AKB abzüglich Selbstbeteiligung, ist unstreitig.
Praxishinweis:
Es kommt entscheiden darauf an, wie der Schaden entstanden ist. Wenn das Fahrzeug unmittelbar durch die Einwirkung der versicherten Gefahr (z. B. Überschwemmung) beschädigt, wird die Versicherung nicht um die Schadenregulierung umhin kommen. Wenn aber der Versicherte sein Fahrzeug in eine versicherte Gefahr bewusst hineinmanövriert, dann wird der Haftungsausschluss greifen.