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Entziehung der Fahrerlaubnis – Trunkenheitsfahrt im Ausland

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer im Ausland begangenen Trunkenheitsfahrt OVG Münster, Urteil vom 25.10.2016 – 16 A 1237/14 Sachverhalt: Der Kläger war Inhaber einer Fahrerlaubnis. Am 6.3.2013 beantragte er bei der Bekl. die Ausstellung eines Ersatzführerscheins mit der Begründung, sein Führerschein sei in Polen wegen einer Alkoholfahrt mit 0,1 ‰ von der Staatsanwaltschaft zur Durchsetzung eines gegen […]

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer im Ausland begangenen Trunkenheitsfahrt

OVG Münster, Urteil vom 25.10.2016 – 16 A 1237/14

Sachverhalt:

Der Kläger war Inhaber einer Fahrerlaubnis. Am 6.3.2013 beantragte er bei der Bekl. die Ausstellung eines Ersatzführerscheins mit der Begründung, sein Führerschein sei in Polen wegen einer Alkoholfahrt mit 0,1 ‰ von der Staatsanwaltschaft zur Durchsetzung eines gegen ihn von einem Schnellgericht verhängten zweijährigen Fahrverbots eingezogen worden.

Das Kraftfahrt-Bundesamt übersandte der Bekl. das entsprechende Urteil aus Polen. Darin wurde der Kl. wegen einer Trunkenheitsfahrt mit 1,03 mg/dm3 Alkohol in der ausgeatmeten Atemluft für schuldig erklärt, eine Straftat nach Art. 178 a § 1 des polnischen Strafgesetzbuchs begangen zu haben und zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurden gegen den Kl. eine Geldstrafe und ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Jahren verhängt.

Danach forderte die Bekl. den Kl. zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis zum auf. Der Kl. Kam der Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aber nicht nach. Folglich entzog ihm die Bekl. unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis für alle erteilten Klassen.

Die dagegen erhobene Klage wies das VG Münster (16.5.2014 – 10 K 841/14, BeckRS 2014, 52460) ab. Auch die vom OVG zugelassene Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.

Begründung:

Das VG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Die angefochtene Ordnungsverfügung der Bekl. vom 9.4.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kl. daher nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 I 1 VwGO).

Die Fahrerlaubnis des Kl. war zu entziehen, weil dieser sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat (§ 3 I 1 StVG und § 46 I FeV). Es handelt sich dabei um eine gebundene, nicht im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung. Die Fahreignung des Betroffenen beurteilt sich nach § 46 III FeV und den §§ 11–14 FeV in Verbindung mit der Anlage 4 zur FeV.

Die hier in Rede stehende Problematik des Alkoholmissbrauchs findet in Nr. 8 der Anlage 4 zur FeV eine nähere Regelung. Nach Nr. 8.1 der Anlage ist im Fall des Alkoholmissbrauchs die Fahreignung für sämtliche Fahrerlaubnisklassen nicht gegeben. Ein Missbrauch im Sinne dieser Bestimmung ist gegeben, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Nach der Beendigung eines Missbrauchs ist die Fahreignung erst dann wieder gegeben, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist (Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV). Ebenfalls ausgeschlossen ist die Fahreignung bei Alkoholabhängigkeit (Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV).

Ob bei dem Kl. eine zum Ausschluss der Fahreignung führende Alkoholproblematik vorliegt, ist mangels ausreichender Feststellungen offen. Gleichwohl kann die Fahrerlaubnisbehörde gem. § 11 VIII 1 FeV auf die Nichteignung des Kl. schließen, weil er ein von ihr gefordertes Fahreignungsgutachten nicht fristgerecht beigebracht hat. Die Gutachtensanordnung ist nicht zu beanstanden. Neben den – hier nicht problematischen – formellen Anforderungen ist auch der nach den §§ 11 ff. FeV erforderliche hinreichende Begutachtungsanlass gegeben.

Die materielle Befugnis der Bekl., dem Kl. eine Begutachtung durch eine Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) abzuverlangen, folgt vorliegend aus der Bestimmung des § 13 FeV, die sich mit der Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik befasst. Nach § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt worden ist. Hiervon ist vorliegend auszugehen, wobei das normative Nebeneinander eines auf die Blutalkoholkonzentration und eines auf die Atemalkoholkonzentration bezogenen Grenzwertes die Ausführungen des Kl. zu der seiner Ansicht nach fehlenden Konvertierbarkeit einer Atemalkoholkonzentration in eine Blutalkoholkonzentration gegenstandslos macht. Der Normgeber ist demnach – keine Bedenken hervorrufend – der Auffassung gewesen, dass jedenfalls für die Anordnung von Gefahrerforschungseingriffen auch das Erreichen eines bestimmten Atemalkoholwerts ausreicht.

Im Zusammenhang mit § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV genügen grundsätzlich auch im Ausland begangene und festgestellte Zuwiderhandlungen.

Erforderlich ist aber, dass diese Auslandstaten hinreichend – das heißt wie bei einer Inlandstat – nachgewiesen sind.

Allgemein folgt indessen die insoweit zu fordernde Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde bzw. des VG vom Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen – bzw. hier vom Vorliegen der Voraussetzungen für einen Gefahrerforschungseingriff – nicht den strengen Maßstäben, die das Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht an den Nachweis einer sanktionsbewehrten Tat knüpft. Vielmehr gilt im Fahrerlaubnisrecht wie allgemein im Ordnungsrecht, dass bereits die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eine zum Tätigwerden der Ordnungsbehörde berechtigende und gegebenenfalls verpflichtende Gefahr begründet.

Dies vorausgeschickt, reicht es zur Annahme eines den Anforderungen des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV genügenden Gefahrenverdachts nicht aus, dass der Kl. in Polen wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer Atemalkoholkonzentration von 1,03 mg/l rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden ist. Vielmehr ist dem Kl. im Grundsatz zuzustimmen, dass die zum Teil noch erheblichen Unterschiede in den Rechtsordnungen der einzelnen Staaten der Europäischen Union, die sich nicht nur auf das materielle Straßenverkehrsrecht bzw. die damit zusammenhängenden Straf- oder Ordnungswidrigkeitsbestimmungen, sondern auch auf Regelungen und Gepflogenheiten im vorgelagerten Ermittlungsverfahren beziehen, einem unbesehenen Rückgriff auf das bloße Ergebnis eines ausländischen Straf- oder Bußgeldverfahrens entgegenstehen.

Vielmehr ist zu fordern, dass die aus dem betreffenden europäischen Staat stammenden Erkenntnisse einen hinreichend gesicherten Schluss auf das Überschreiten einer nach inländischem Recht bestehenden Eingriffsschwelle zulassen. Vorliegend ist der Senat jedenfalls auf der Grundlage der ergänzend eingeholten polizeilichen Auskunft davon überzeugt, dass die Bekl. unter den gegebenen Umständen berechtigt war, weitergehende und gegebenenfalls auch eine Mitwirkung des Betroffenen einschließende Ermittlungen anzustellen; denn es ist von einer Trunkenheitsfahrt des Kl. mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr auszugehen.

Zunächst bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass bei der Polizeikontrolle in Polen am ein ungeeignetes Mess- und Analysegerät eingesetzt worden ist.

Berücksichtigt man weiter, dass der festgestellte Wert von 1,03 mg/l den in § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV genannten Grenzwert von 0,8 mg/l deutlich übersteigt, ist am Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung selbst dann nicht zu zweifeln, wenn eine größere Sicherheitsmarge veranschlagt würde als diejenige, die der theoretischen Messungenauigkeit des verwendeten Analysegeräts entspricht, oder wenn doch – kleinere – Fehler des Messverfahrens vorlägen.

Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Aufklärung durch einen Sachverständigen.

Es bedarf auch keines näheren Eingehens auf die vom Kl. vorgetragenen Umstände der Polizeikontrolle, aus denen er etwa eine mangelhafte Belehrung über Beschuldigtenrechte herleitet. Soweit dieses Vorbringen nicht ohnehin mit der in der konkreten Situation kaum zu überwindenden Sprachbarriere zusammengehangen hat, wären aus eventuellen Verstößen gegen Beschuldigtenrechte keine Konsequenzen für das vorliegende Verfahren zu ziehen.

Soweit der Kl. in diesem Zusammenhang ferner bemängelt, ihm sei trotz eines dahingehend geäußerten Wunsches keine Blutprobe entnommen worden, ist dies schon deshalb kein beachtlicher Verfahrensmangel, weil offensichtlich nicht nur das polnische Verkehrsstrafrecht, sondern auch die hier maßgebliche Bestimmung des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV einen hinlänglich hohen Atemalkoholwert als ausreichend erachtet, so dass es einer Absicherung durch eine Blutalkoholanalyse nicht bedarf.

 

Praxishinweis:

Auch im Ausland begangene Straf- bzw. Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr können Folgen für die Fahrerlaubnis in Deutschland haben. Das Fahrerlaubnisrecht beabsichtigt den Schutz der Allgemeinheit vor dem einzelnen Fahrer, der unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mittel ein Fahrzeug führt, obwohl er nicht in der Lage ist ein Fahrzeug sicher zu führen. Wenn also der Fahrer, wie in diesem Fall unter dem Einfluss von Alkohol ein KFZ geführt hat und dabei überführt wurde, kann dies Zweifel an seiner Fahrtauglichkeit erwecken. Dann kann die Fahrerlaubnisbehörde in Deutschland anordnen, dass der Fahrerlaubnisinhaber eine MPU (medizinisch-psychologische Untersuchung) vorlegen muss. Wenn er dieser Anordnung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommt, muss die Fahrerlaubnisbehörde von Gesetzes wegen davon ausgehen, dass der Fahrer nicht geeignet ist, ein Fahrzeug sicher zu führen. Die Behörde muss dann davon ausgehen, dass der Fahrer zwischen einer Trunkenheitsfahrt und einer normalen Fahrt nicht unterscheiden kann. Somit muss dem Fahrer die Fahrerlaubnis entzogen werden.