Verwirkung des Trennungsunterhalts wegen verfestigter Lebensgemeinschaft
OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss vom 16.11.2016 – 4 UF 78/16
Sachverhalt:
Das AG – FamG – Cloppenburg (Beschl. v. 11.5.2016 – 11 F349/15 UE) hat den Ag. verpflichtet, an die Ast. für die Zeit von März 2014 bis April 2015 Trennungsunterhalt iHv 4271,16 Euro zu zahlen; für die Zeit ab Mai 2015 wurde ein Unterhaltsanspruch wegen verfestigter Lebensgemeinschaft verneint.
Auf die Rechtsmittel beider Beteiligter erging dieser Hinweisbeschluss; daraufhin hat die Ast. ihre Beschwerde zurückgenommen.
Begründung:
Die Beschwerde (der Ast.) hat keine Aussicht auf Erfolg; auf die Anschlussbeschwerde (des Ag.) ist der angefochtene Beschluss dahingehend zu ändern, dass der Antrag der Ast. auf Zahlung von Trennungsunterhalt in vollem Umfang zurückgewiesen wird.
Das AG hat der Ast. Trennungsunterhalt für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich April 2015 in Höhe von insgesamt 4271,16 Euro zugesprochen und ist ab Mai 2015 von einer Verwirkung nach §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 BGB ausgegangen. Ein Unterhaltsanspruch der Ast. ist nach dieser Vorschrift jedoch bereits ab März 2014 zu versagen, dem Monat, in dem sie mit A, dem gemeinsamen Sohn der Beteiligten, zu Herrn Z in dessen Haus gezogen ist.
Mit §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 BGB stellt die verfestigte Lebensgemeinschaft einen eigenständigen Härtegrund dar. Hierdurch wird kein vorwerfbares Fehlverhalten des Unterhaltsberechtigten sanktioniert. Vielmehr ist es Zweck der Vorschrift, rein objektive Gegebenheiten bzw. Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten zu erfassen, die eine dauerhafte Unterhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen. § 1579 Nr. 2 BGB legt nicht fest, ab wann von einer verfestigten Lebensgemeinschaft auszugehen ist.
Eine verfestigte Lebensgemeinschaft kann danach insbesondere angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen. Entscheidend ist darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte (frühere) Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt. Allerdings kann eine unterhaltsverwirkende „Abkehr“ aus der Ehe allenfalls und erst dann angenommen werden kann, wenn die neue Beziehung einen gewissen Grad der Verfestigung erreicht hat.
Mit Herrn Z unterhält die Ast. unstreitig spätestens seit April/Mai 2013 eine Liebesbeziehung; bereits das Osterfest 2013 feierten die beiden zusammen. Im August 2013 verbrachten die Ast. und Herr Z einen gemeinsamen Urlaub. Auch nahm Herr Z im Laufe des Jahres 2013 mit Zustimmung der Ast. die Rolle eines Ersatzvaters für A ein und nahm beispielsweise an Gesprächen mit Mitarbeitern des Jugendamts teil. Ferner bezeichnete A Herrn Z bereits in diesem Jahr als „Papa“. Im Übrigen nehmen die Ast. und Herr Z bereits seit Frühjahr 2013 gemeinsam an Familienfeiern teil. In Vorbereitung des Einzugs der Ast. und von A wurden im Hause des Herrn Z Renovierungsarbeiten durchgeführt, insbesondere ein Zimmer für A vorbereitet.
Aus vorgenannten objektiven Gegebenheiten ergab sich spätestens mit dem Einzug der Ast. und ihres Sohnes in das Haus von Herrn Z im März 2014 eine endgültige Lösung der Ast. aus der ehelichen Solidarität, mit der sie zu erkennen gab, dass sie dieser nicht mehr bedurfte. Der für den Tatbestand des §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 2 BGB erforderliche Verfestigungsgrad der Beziehung zwischen der Ast. und Herrn Z ist spätestens zu diesem Zeitpunkt erreicht worden.
Zwar ist grundsätzlich nicht vor Ablauf von zwei Jahren davon auszugehen, dass sich eine Lebensgemeinschaft iSv § 1579 Nr. 2 BGB „verfestigt“ hat. Aus der Gesamtschau der objektiven Umstände in der Entwicklung der Beziehung zwischen der Ast. und Herrn Z, die bereits vor dem Zusammenzug auch durch das Auftreten als Paar eine Eheähnlichkeit entwickelt hatte, ist hier die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft auch schon vor Ablauf von zwei Jahren gerechtfertigt.
Spätestens ab März 2014 lassen daher die vorgenannten Gesamtumstände eine fortwirkende Unterhaltsverpflichtung des Ag. gegenüber der Ast. auch in Hinblick auf seine finanziellen Verhältnisse unzumutbar erscheinen. Die Belange des Kindes A stehen der Versagung des Unterhaltsanspruchs seiner Mutter nicht entgegen, da dessen wirtschaftliches Auskommen unter anderem durch Unterhaltszahlungen des Ag. sowie bis zum Wechsel in ein Internat durch das kostenfreie Wohnen im Hause Z gesichert war.
Praxishinweis:
Ausschlaggebend ist, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, die auch verfestigt ist. Es muss die Annahme gerechtfertigt werden, dass die neue Lebensgemeinschaft dazu geführt hat, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte sich aus der ehelichen Solidarität endgültig herausgelöst hat und diese auch nicht mehr benötigt.