Kindesunterhalt und Nebeneinkünfte
OLG Koblenz, Beschluss vom 01.04.2016 – 13 UF 44/16
- Im Rahmen der vorzunehmenden Billigkeitsabwägung kann als maßgeblicher Gesichtspunkt gegen eine Heranziehung des aus einer überobligatorischen Nebentätigkeit stammenden Einkommens sprechen, dass der Unterhaltspflichtige seine Nebentätigkeit erst nach Trennung bzw. nach der Scheidung der Ehe mit der Mutter der unterhaltsberechtigten Kinder aufgenommen hat. (amtlicher Leitsatz)
- Die Kostentragungspflicht wegen der vorprozessualen Verletzung einer unterhaltsrechtlichen Auskunftspflicht setzt die Ursächlichkeit der Auskunftspflichtverletzung für den Ausgang des nachfolgenden Unterhaltsverfahrens voraus. (amtlicher Leitsatz)
Tenor:
Den Antragstellern wird die für ihre Beschwerde beantragte Verfahrenskostenhilfe versagt.
Gründe:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des vom Antragsgegner zu zahlenden Kindesunterhalts. Die Ehe der Eltern der bei ihrer Mutter lebenden Antragsteller ist seit 2012 rechtskräftig geschieden.
2012 hatte der Antragsgegner auf Aufforderung Auskunft über sein Einkommen und Vermögen erteilt. Hieraufhin ermittelten die Kindesmutter bzw. das Jugendamt eine Unterhaltspflicht nach der dritten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle. Der sich daraus ergebende Unterhalt (110%) wurde vom Antragsgegner auch gezahlt.
Anfang 2014 forderte die Kindesmutter erneut Auskunft, die aber nicht vollständig erteilt wurde. Das Jugendamt stufte den Antragsgegner weiterhin in der dritten Einkommensgruppe (110%) ein und dieser Unterhalt wurde vom Antragsgegner auch fortlaufend gezahlt (Bl. 9 = 65 d. A.). Wohl in der Folgezeit erhielt die Kindesmutter Kenntnis davon, dass der Antragsgegner neben seiner sich auf 39 Stunden in der Woche belaufenden Haupterwerbstätigkeit einer Nebenbeschäftigung nachgeht. Diese übt er seit November 2012 aus.
Hierauf verlangten die Antragsteller im April 2015 erneut Auskunft und errechneten sodann ab April 2015 unter Einschluss des Nebeneinkommens eine Unterhaltspflicht des Antragsgegners nach der fünften Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (120%). Daraufhin zahlte dieser – zum Teil im Wege einer Nachzahlung – ab April 2015 den sich nach der vierten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (115%) ergebenden Unterhalt.
Im vorliegenden Verfahren haben die Antragsteller ab 01.08.2015 laufenden Kindesunterhalt nach der fünften Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (120%) verlangt sowie für die Vergangenheit verzinslich für die Zeit von Januar 2013 bis März 2015 den Differenzzahlbetrag zwischen der gezahlten dritten (110%) und geforderten vierten (115%) und für die Zeit von April bis Juli 2015 den Differenzzahlbetrag zwischen der (zum Teil nach-)gezahlten vierten (115%) und geforderten fünften (120%) Einkommensgruppe. Darüber hinaus haben sie beantragt, den Antragsgegner zur Übernahme der hälftigen monatlichen Ausleihgebühr für die Querflöte des Antragstellers zu 1) zu verpflichten.
Das Familiengericht hat dem Antrag zur Querflöte auf Anerkenntnis des Antragsgegners stattgegeben. Ebenfalls gemäß seinem Anerkenntnis hat es den Antragsgegner zur Zahlung eines Kindesunterhalts in Höhe von 115% (4. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle) ab August 2015 verpflichtet. Darüber hinaus hat es den Antragsgegner – streitig – verpflichtet, auch von Januar 2013 bis März 2015 – ab April 2015 hatte der Antragsgegner insoweit nachgezahlt – weiteren Kindesunterhalt in Höhe des Differenzbetrags zur 4. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (110% zu 115%) zu leisten. Die Unterhaltsrückstände bis einschließlich März 2015 hat es dabei verzinst. Den weitergehenden Antrag hat es abgewiesen und den Antragstellern – aufgrund des Teilanerkenntnisses – 7/8 der Kosten auferlegt.
Hiergegen wendet sich die – mit einem Verfahrenskostenhilfeantrag verbundene – Beschwerde der Antragsteller. Mit dieser verfolgen diese ihr erstinstanzliches Begehren weiter und wenden sich insbesondere auch gegen die Kostenverteilung.
Den Antragstellern war für ihre Beschwerde keine Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Das Rechtsmittel hat nämlich keine Aussicht auf Erfolg.
Der Antragsgegner schuldet seinen beiden minderjährigen Kindern Unterhalt nach seinen Einkommensverhältnissen, §§ 1601 f., 1610, 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB. Diesen hat das Familiengericht nicht in einem zu geringen Umfang zuerkannt.
Den geltend gemachten Differenzunterhalt für jedes Kind zwischen der gezahlten dritten (110%) und geforderten vierten (115%) Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle hat das Familiengericht im Zeitraum Januar 2013 bis März 2015 für berechtigt angesehen und auch antragsgemäß verzinslich zugesprochen. Darauf, ob und ab wann sich der Antragsteller vor April 2015 in welcher Höhe in Verzug befunden hat, kommt es folglich im Beschwerdeverfahren mehr nicht an.
Zutreffend geht das Familiengericht in den Monaten April bis Juli 2015 und fortlaufend ab August 2015 von einer Kindesunterhaltspflicht nach der vierten (115%) Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle aus.
Obgleich der Antragsgegner zunächst auch in den Monaten April bis Juli 2015 weiterhin nur Unterhalt nach der dritten Einkommensgruppe gezahlt hatte, hat er den Differenzbetrag zur vierten Einkommensgruppe anschließend im Wege einer Einmalzahlung von 144 € (4 x 18 € je Kind) nachgezahlt (Bl. 6 d. A. und angefochtener Beschluss Seite 5).
In Bezug auf diese Nachzahlung war keine Verzinsung auszusprechen. Denn die Antragsteller begehren im Zeitraum April bis Juli 2015 keine Nachzahlung (inkl. Verzinsung) der Differenz zwischen der dritten und vierten, sondern jener zwischen der vierten und fünften Einkommensgruppe, wenngleich die Differenzbeträge rein zahlenmäßig identisch sind.
Der von den Antragstellern mit ihrer Beschwerde weiterhin ab April 2015 begehrte Kindesunterhalt nach der fünften (120%) anstatt der vierten (115%) Einkommensgruppe steht diesen nicht zu.
Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass auf das Unterhaltsverhältnis als gesetzliches Schuldverhältnis die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Anwendung finden und daran die Heranziehung des vom Unterhaltspflichtigen aus überobligatorischer Tätigkeit erzielten Einkommens zu messen ist. Das gilt auch beim Kindesunterhalt (vgl. BGH FamRZ 2011, 454).
Danach ist vorliegend zunächst zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner der Mehrarbeit nicht bedarf, um den Mindestunterhalt (100%) seiner Kinder sicher zu stellen. Im Umfang der zusätzlichen Beschäftigung unterliegt er somit keiner gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB.
Als weiterer maßgeblicher Gesichtspunkt kommt hinzu, dass der Antragsgegner seine Nebentätigkeit erst nach Trennung und Scheidung der Ehe mit der Mutter der Antragsteller begonnen hat. Folglich standen die Einkünfte hieraus für den Unterhalt der Antragsteller während des ehelichen Familienzusammenlebens noch nicht zur Verfügung.
Ob und inwieweit der Antragsgegner die zusätzliche Beschäftigung im Hinblick auf höhere Umgangskosten aufgenommen hat, kann hier letztlich dahinstehen. Denn bereits wenn man das Nebeneinkommen lediglich zu 4/5 berücksichtigt, ist der Antragsgegner nur noch in der Einkommensgruppe 4 der Düsseldorfer Tabelle (115%) anzusiedeln. Umstände, die es im Rahmen der Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung in Betracht kommenden Gesichtspunkte angemessen erscheinen lassen, diese Einkünfte in einem größeren Umfang einzustellen, sind nicht erkennbar.
Der sich demnach auch im Jahr 2016 ergebende Kindesunterhalt in Höhe von 115% (4. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle) wurde vom Familiengericht bereits zugesprochen. Auch hier hat die Beschwerde folglich keinen Erfolg.
Die erstinstanzliche Kostenentscheidung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Zutreffend geht das Familiengericht davon aus, dass nach § 243 FamFG abweichend von den Kostenvorschriften der Zivilprozessordnung über die Verteilung der Kosten hier nach billigem Ermessen zu entscheiden ist und dabei insbesondere (1) das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung, (2) der Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, (3) der Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 FamFG innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist sowie (4) ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO zu berücksichtigen waren.
Entgegen der Ansicht der Beschwerde lag hier im Umfang der erstinstanzlich ausgesprochenen laufenden Unterhaltsverpflichtung ab August 2015 ein sofortiges Anerkenntnis des Antragsgegners vor und dieser hatte insoweit auch keine Veranlassung für das Verfahren gegeben.
Der am 30.07.2015 zunächst im Verfahrenskostenhilfeverfahren bei Gericht eingereichte Unterhaltsantrag wurde dem Antragsgegner förmlich im schriftlichen Vorverfahren am 30.09.2015 zugestellt. Mit seinem darauf folgenden Schriftsatz vom 07.10.2015 erklärte der Antragsgegner für den laufenden Unterhalt ab August 2015 ein Anerkenntnis nach Maßgabe der 4. Einkommensgruppe (115%). Unterhalt entsprechend dieser zahlte er bereits seit April 2015. Die Rückstände aus der Differenz zwischen der 3. und der 4. Einkommensgruppe für die Zeit von April bis Juli 2015 hatte er dabei ausweislich der Antragsschrift noch vor Eingang dieser bei Gericht ausgeglichen (Bl. 6. d. A.).
Da der Antragsgegner unstreitig auch nie zu einer freiwilligen Titulierung aufgefordert worden war, hatte er ebenfalls keine Veranlassung für das Unterhaltsverfahren gegeben, soweit der laufende Unterhalt ab August 2015 betroffen war. Darauf, ob ein Unterhaltsschuldner, der lediglich Teilleistungen auf den geschuldeten Unterhalt erbringt, dem Unterhaltsgläubiger Anlass zur Klage hinsichtlich des gesamten Unterhalts gibt, ohne dass eine vorherige Aufforderung zur außergerichtlichen Titulierung erforderlich ist (vgl. so BGH FamRZ 2010, 195), kommt es hier folglich für den anerkannten laufenden Unterhalt ab August 2015 nicht an. Denn wie vorstehend ausgeführt, stand den Antragstellern kein höherer Unterhalt als nach der 4. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle (115%) zu.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Antragsgegner nach der Änderung der Düsseldorfer Tabelle zum 01.08.2015 zunächst den alten Zahlbetrag von 327 € je Kind weiterzahlte. Denn hier war erkennbar, dass der Antragsgegner lediglich die – zuletzt untypische – Änderung der Düsseldorfer Tabelle zum 01.08.2015 nicht beachtet hatte.
Nachdem der laufende Unterhalt ab August 2015 hier gut 90% des erstinstanzlichen Verfahrenswerts ausmacht, ist folglich kein Verstoß gegen die nach § 243 FamFG vorzunehmende Billigkeitsabwägung zu sehen, wenn das Familiengericht den Antragstellern somit 7/8 der Kosten auferlegt. Soweit der Antragsgegner das Unterhaltsverfahren in Bezug auf die ebenfalls anerkannte Kostenbeteiligung an der Ausleihgebühr für die Querflöte des Antragstellers zu 1) veranlasst haben sollte, fällt der Verfahrenswert dieses Antrags mit 162 € nicht weiter ins Gewicht.
Die Antragsteller können sich schließlich auch nicht auf § 243 S. 2 Nr. 2 FamFG berufen.
Die unvollständige Auskunft im Jahr 2014 war nicht ursächlich für den Ausgang des hier erst am 31.07.2015 eingeleiteten gerichtlichen Unterhaltverfahrens. Dies wäre indes Voraussetzung für eine kostenrechtliche Sanktionierung (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 35. Aufl. 2014 § 243 FamFG Rn. 8).