Abtrennung der Folgesache Zugewinn
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.7.2015 – 18 UF 246/13
Gegenstand dieser Entscheidung war die Trennung der Folgesache Zugewinn von der Scheidung.
1. Die Abtrennung einzelner Folgesachen vom Verbund setzt auch nach mehrjähriger Verfahrensdauer das Vorliegen einer – über den rein zeitlichen Gesichtspunkt hinausgehenden – unbilligen Härte voraus. Die Anforderungen an die Annahme einer unbilligen Härte sinken allerdings mit zunehmender Verfahrensdauer.
2. Die in der Aufrechterhaltung des Verbunds liegende Härte muss für den die Abtrennung begehrenden Ehegatten umso größer sein, je gewichtiger die abzutrennende Folgesache für den anderen Ehegatten in seiner jeweiligen Lebenssituation ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Folgesache von demjenigen Ehegatten begehrt wird, der die Folgesache anhängig gemacht hat, oder vom anderen Ehegatten.
Sachverhalt:
Das AG – FamG – Freiburg (Beschl. v. 15.10.2013- 39 F 266/09) hat auf Antrag der Ast. die Folgesache Güterrecht vom Verbund abgetrennt sowie mit gesondertem Beschluss vom gleichen Tag die Ehe geschieden und festgestellt, dass der Versorgungsausgleich auf Grund eines wirksam vereinbarten Verzichts der Ehegatten nicht stattfinde. Der Ag. wandte sich mit seiner Beschwerde gegen die Abtrennung der Folgesache Güterrecht. Zwar liege eine außergewöhnliche Verzögerung des Verfahrens vor. Es fehle jedoch an der für eine Abtrennung der güterrechtlichen Folgesache erforderlichen unzumutbaren Härte. Diese könne allein durch die Verfahrensdauer nicht ersetzt werden. Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das FamG.
Begründung:
Die Voraussetzungen für eine Abtrennung der Folgesache Güterrecht liegen nicht vor.
Gemäß § 137 I FamFG sind Scheidung und Folgesachen zusammen zu verhandeln und zu entscheiden. Die Abtrennung einer güterrechtlichen Folgesache vom Verbund kann nur nach Maßgabe des § 140 II FamFG erfolgen. Vorliegend hat das FamG die Abtrennung auf die einzig in Betracht kommende Alternative des § 140 II Nr. 5 FamFG gestützt. Danach sind Folgesachen vom Scheidungsverbund abzutrennen, wenn die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass ein weiterer Aufschub unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte darstellen würde. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Nachdem seit Zustellung des Scheidungsantrags am 28.7.2009 zwischenzeitlich ein Zeitraum von sechs Jahren verstrichen ist, liegt zwar unzweifelhaft eine außergewöhnlich lange Verfahrensdauer vor. Diese ist spätestens dann anzunehmen, wenn die Rechtshängigkeit des Verbundverfahrens einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren übersteigt.
Wie sich aus dem Gesetzeswortlaut jedoch ergibt, genügt allein die außergewöhnliche Verzögerung der Scheidung für eine Abtrennung von Folgesachen nicht. Zusätzlich muss der Aufschub der Ehescheidung eine unzumutbare Härte darstellen. Auf Grund der Zielsetzung des Verbundprinzips sind die Voraussetzungen für eine Abtrennung dabei grundsätzlich eng auszulegen, um den Zweck des Verbunds nicht zu vereiteln.
Auch aus dem Begriff der unzumutbaren Härte folgt, dass für die ausnahmsweise Auflösung des Verfahrens- und Entscheidungsverbunds strenge Maßstäbe anzulegen sind. Allerdings können mit zunehmender Verfahrensdauer die Anforderungen an eine unzumutbare Härte geringer werden. Das Interesse des Ast. an der Scheidung muss jedoch das Interesse des anderen Ehegatten an einer umfassenden Verbundentscheidung in jedem Fall überwiegen.
Bei der Beurteilung, ob die Aufrechterhaltung des Verbunds eine unbillige Härte darstellen würde, ist stets zu berücksichtigen, dass Folgesachen für jeden Ehegatten abhängig von seiner wirtschaftlichen Situation und der Art der Folgesache unterschiedliches Gewicht besitzen. Die in der Aufrechterhaltung des Verbunds liegende Härte muss für den die Abtrennung begehrenden Ehegatten daher umso größer sein, je gewichtiger die abzutrennende Folgesache für den anderen Ehegatten in seiner jeweiligen Lebenssituation ist. Dies gilt unabhängig davon, welcher Ehegatte die Abtrennung einer Folgesache begehrt. Entsprechend dem Zweck des Verbunds, der in erster Linie dem wirtschaftlich schwächeren Ehegatten die Klärung der – regelmäßig von ihm selbst anhängig gemachten – unterhalts- und vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung ermöglichen soll, ist ein Abtrennungsantrag zwar in der Regel vom Gegner der Folgesache zu erwarten. Wird gleichwohl – wie vorliegend – die Auflösung des Verbunds von demjenigen Ehegatten begehrt, der die Folgesache anhängig gemacht hat, führt dies weder dazu, dass es für eine Abtrennung keinerlei Härtegründe bedarf, noch bleiben etwaige Interessen des Gegners des Folgesachenantrags an einer umfassenden Verbundentscheidung bei der Beurteilung der unbilligen Härte unbeachtet. Auch in diesem Fall ist daher zu Gunsten des der Abtrennung einer Folgesache widersprechenden Ehegatten insbesondere zu berücksichtigen, welche wirtschaftliche Bedeutung sie für ihn in seiner konkreten Lebenssituation hat. Dabei ist in die Gesamtbetrachtung einzustellen, dass güterrechtliche Auseinandersetzungen in der Regel – anders als etwa die Sicherung des Elementar- und Krankenvorsorgeunterhalts – nicht unmittelbar existenziell sind. Sie nehmen deshalb zwar nicht den höchsten Rang in der Gewichtigkeit der Folgesachen ein, sind jedoch gleichwohl für beide Ehegatten häufig von hoher wirtschaftlicher Bedeutung.
Nach diesen Maßstäben fehlt es vorliegend – auch unter Berücksichtigung der durch die nicht unerhebliche Verfahrensdauer herabgesetzten Anforderungen – an einer unzumutbaren Härte in vorgenanntem Sinne.
Der Umstand, dass – auf Grund der voraussichtlich notwendig werdenden sachverständigen Bewertung der verschiedenen Grundstücke der Ehegatten – mit einem baldigen Abschluss des Zugewinnausgleichsverfahrens nicht zu rechnen ist, rechtfertigt keine Auflösung des Verbunds. Dieser Gesichtspunkt betrifft einzig die (voraussichtliche) Verfahrensdauer. Die außergewöhnliche Verzögerung der Scheidung selbst bedeutet jedoch für sich gesehen noch keine Härte.
Aus dem Vortrag der Ast., sie leide erheblich unter der noch nicht abgeschlossenen Scheidung, da es in ihrem Alter als verheiratete Frau viel schwieriger sei, einen neuen Partner zu finden, als wenn sie geschieden wäre, lässt sich ebenfalls keine unzumutbare herleiten. Dass der Familienstand für die Ast. ein Hindernis bei der Partnersuche sein könnte, ist nicht nur durch die während der Ehe aufgenommene Beziehung zu Herrn Z widerlegt. Es fehlt darüber hinaus auch an konkreten Anhaltspunkten, weshalb trotz der erkennbaren Endgültigkeit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft allein das rechtliche Fortbestehen des Ehebands die Ast. an der Eingehung einer neuen Beziehung hindern sollte. Das Zusammenleben mit einem Partner, ohne mit diesem verheiratet zu sein, ist durch alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen hindurch nicht mehr derart außergewöhnlich, dass sie als ernsthaftes Hindernis für die Eingehung einer Beziehung angesehen werden könnte.
Ein solches Hindernis lässt sich entgegen der Ansicht der Ast. auch nicht aus dem Scheitern ihrer Beziehung zu Herrn Z herleiten. Selbst wenn – abweichend vom Vortrag der Ast. – einziger Grund für das Scheitern dieser Beziehung die noch bestehende Ehe gewesen wäre, würde dies nicht den Schluss zulassen, dass die Ast. für andere Männer wegen des bestehenden Ehebands als mögliche Partnerin von vornherein ausscheidet. Eine solche Annahme erscheint auch fernliegend.
Auch aus der von der Ast. behaupteten psychischen Belastung lässt sich kein Härtegrund ableiten.
Das Interesse der Ast. an einer Auflösung des Verbunds reduziert sich damit auf den rein finanziellen Gesichtspunkt, eine möglichst baldige – vom Eintritt der Rechtskraft der Ehescheidung abhängige – Verzinsung der ihr möglicherweise zustehenden Zugewinnausgleichsforderung zu erreichen. Allein dieser Aspekt vermag unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Interessen des Ag. eine unzumutbare Härte nicht zu begründen.
Der Ag. legte insoweit im Termin dar, dass ihm an einer umfassenden Verbundentscheidung auch deshalb gelegen sei, um die Möglichkeit einer gütlichen Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten insbesondere hinsichtlich des im hälftigen Miteigentum stehenden Familienheims zu gewährleisten. Seinen nachvollziehbaren Ausführungen zufolge hängt die Finanzierbarkeit der bislang von beiden Ehegatten noch favorisierten einvernehmlichen Übernahme des Miteigentumsanteils der Ast. nicht nur von der Höhe einer etwaigen Zugewinnausgleichsforderung, sondern auch von der Höhe der hierauf zu zahlenden Zinsen ab. Bei einer unter Aufhebung des Verbunds vorzeitig durchgeführten Scheidung würden bis zum Abschluss des Zugewinnausgleichsverfahrens Zinsen in unabsehbarer Höhe entstehen. Zudem befürchtet der Ag., dass die Ast. mit Rechtskraft der Ehescheidung die – mit der Gefahr erheblicher Vermögenseinbußen verbundene – Teilungsversteigerung des ehelichen Anwesens einleiten könnte.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Auflösung des Scheidungsverbunds vermag allein der Wunsch der Ast., eine möglichst frühzeitige Verzinsung herbeizuführen, die Abtrennung der güterrechtlichen Folgesache nicht zu rechtfertigen.
Das Bestehen einer Zugewinnausgleichsforderung unterstellt, ist das Interesse der Ast. an einer alsbaldigen Verzinsung der Forderung jedenfalls nicht höher zu bewerten als das wirtschaftliche Interesse des Ag.
Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Ast. es in der Hand hatte, eine möglichst frühzeitige Scheidung herbeizuführen und anschießend güterechtliche Ansprüche isoliert geltend zu machen.
Stattdessen hat die Ast. sich dafür entschieden, etwa ein halbes Jahr nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens, den Zugewinn als Folgesache anhängig zu machen. Damit hat sie bewusst die bereits bei Einreichung des Stufenantrags absehbare Verzögerung der Ehescheidung und die – mit Blick auf die notwendige Bewertung der im Ausland gelegenen Grundstücke unkalkulierbare – Ungewissheit der Entscheidungsreife des Scheidungsverbunds in Kauf genommen.
Bei der Beurteilung der Frage der unbilligen Härte erscheint es der Ast. daher mit Blick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Interessen zumutbar, eine weitere Verzögerung des Scheidungsausspruchs hinzunehmen und dem Ag. hierdurch die von ihm angestrebte, dem Grundgedanken des Scheidungsverbunds entsprechende, umfassende Regelung der persönlichen und wirtschaftlichen Folgen zu ermöglichen.
Etwa zwei Wochen nach Auskunftserteilung teilte die Ast. mit, dass die Ehegatten außergerichtlich eine einvernehmliche Lösung anstreben würden, und erklärte am 17.9.2010 die Auskunftsstufe für erledigt. Die Ehegatten seien dabei, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Bereits am 7.10.2010 hat die Ast. sodann einen bezifferten Zahlungsantrag eingereicht. Hinreichende Anhaltspunkte für ein Hinauszögern der Auskunftsstufe ergeben sich bei dieser Sachlage nicht. Weshalb die von der Ast. behauptete Unvollständigkeit der Auskunft eine Verfahrensverzögerung bewirkt haben könnte, ist nicht erkennbar.
Ausreichende Hinweise darauf, dass der Ag. bewusst zum Nachteil der Ast. eine Verzögerung des Scheidungsausspruchs herbeiführen wollte oder will, sind damit nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar.